Audio Brand Spaces (Teil II)

Der erste Teil zum Thema Audio Brand Spaces gibt eine allgemeine Einführung in die Thematik und nennt Möglichkeiten, wie eine Marke neben ihrer visuellen Inszenierung auch durch eine passende Klangwelt in Szene gesetzt werden kann. Musik ist dabei bekanntlich eine Sprache, die sich besonders gut eignet Emotionen und Erinnerungen zu wecken und dabei Gefühle zu transportieren, die rein visuell oder verbal nicht mitgeteilt werden können. Nun soll anhand einer Klassifikation von Formen erläutert werden, wie Musik und Klang innerhalb von Brand Spaces einzusetzen sind.

Wichtig ist, diese Möglichkeiten nicht isoliert, sondern als Mix zu betrachten. Dabei kann man die einzelnen Formen wie separate Spuren eines Mischpults verstehen. Erst die optimale Aussteuerung und Regelung einer jeden Spur führt zum stimmigen und gelungenen Mix. So muss es auch keine Bedingung sein, im markeneigenen Arrangement jede Spur hörbar zu machen. Es kann durchaus eine Spur stumm geschalten werden oder auch eine Spur den Mix dominieren.

Gestaltungsformen

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Stille

Der Einsatz von Stille meint nicht einfach die Absenz von Musik sondern jeglicher Geräusche. Ein bewusstes  Akustikdesign versucht wichtige Parameter, wie Sprachverständlichkeit, Störgeräusche, Abschirmung, Reflexionen und Halligkeit ganzheitlich zu optimieren und „normale“ Umgebungsgeräusche (z.B. Lüftung, Klimaanlage) zu reduzieren bzw. in ein raumakustisches Konzept zu integrieren. Je nach Konzept und Anforderungen bedienen diese Stellschrauben einen anderen Eindruck.

Es ist ratsam Kommunikations- und Entertainmentzonen von Ruhe- und Arbeitszonen auch raumakustisch zu trennen! Dabei hat aber auch Stille verschiedene Ausprägungen, die ganz unterschiedliche Bildwelten nach sich ziehen können. Denn Stille kann sowohl als Ruhepunkt als auch als kontrastierendes musikalisches Element eingesetzt werden und wirkt als eine Art dramaturgischer Höhepunkt (sowohl im Geschäftsbereich als auch bei großen Events).

Musik

Als die typische Musikbeschallung und Hintergrundmusik in Geschäften, Kaufhäusern und anderen Räumlichkeiten versteht man eine eher einfach strukturierte und unaufdringliche Musik, die in erster Linie eher unbewusst wirken soll, um dem Hörer eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Diese funktionale Musik hat eines mit jener Musik gemeinsam, die uns im Alltag im öffentlichen Raum in Form von Musik aus vorbeifahrenden Autos, Klingeltönen etc. begegnet – sie hat eine Art territoriale Funktion. Sie markiert einen Teil des öffentlichen Raums als Klangraum und beeinflusst die dort anwesenden Menschen und ihr Verhalten. Jedoch hat diese Permanenz (Dauerbeschallung) auch Negativwirkung auf Personen, die sich längere Zeit am beschallten Ort aufhalten (Mitarbeiter). Deswegen gilt es mit dem Musikeinsatz ökologisch umzugehen. Einfach auf eine beliebige Aneinanderreihung von Musik oder Charthits zu setzen bringt wohl nicht den gewünschten Effekt. Statt dass die Musik mit der Umgebung verschmilzt, lenken bekannte Songs sowohl Mitarbeitern als auch Kunden in höherem Maße ab, als eher unbekannte Songs.

Ein strategisch kluger Einsatz von Musik in Form von Musiktracks bzw. Songs ist die Zusammenstellung von Playlisten. Anstatt einer zentralen Zusammenstellung und Steuerung der Playlisten über einen Musikkanal, den ebenfalls auch andere Kunden in genau gleicher Form buchen können, präferieren wir den Einsatz von Musik in Form von individuell angepassten Playlisten. D.h. die Songauswahl erlaubt die Sicherstellung einerseits den Abwechslungsreichtum des Musikprogramms, andererseits eine optimierte und gleichbleibende Qualität der Musik. Die Auswahl erfolgt meist themenspezifisch und gemäß an die Marke bzw. die Markenumgebung angepasster Parameter. Das kann ein bestimmtes Motto sein (z.B. Jahreszeit), ein spezielles Event, die aktuelle Kampagne usw.. Dabei besteht zudem die Möglichkeit auf die Geschäftszeiten einzugehen sowie die Verweildauer der Kunden zu berücksichtigen. Finden Kunden ihren Weg regelmäßig (etwa monatlich) in ein Geschäft kann eine regelmäßige Anpassung der Playlist durchaus attraktiv sein.

Eine weitere Form der Kommunikation der Marke ist, die Musik als markeneigene Compilation (als Give-Away via CD oder Download) dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Diese Aktion erlaubt dem Kunden die Identität der Marke in die eigenen vier Wände mitzunehmen.

Soundscape

Als Soundscape wird eine collagenartige Komposition aus Geräusch- und Klangfragmenten bezeichnet, die auch als Klangteppich bezeichnet werden kann und unaufdringlich und damit eher im Hintergrund wirkt. Die unaufdringliche Wirkung lässt sich darauf zurück führen, dass ein Soundscape meist ohne eine auffällige rhythmische Struktur auskommt. Durch die Wirkung im Hintergrund erzeugt ein Soundscape eine spezifische Atmosphäre und schafft gleichzeitig eine emotionale Verbindung zur Marke. Musikalisch werden Musikfragmente bearbeitet, die eine semantische Beziehung zu bestehendem Wissen aufweisen. Das sind Klangfragmente aus bekannten Situationen und akustischen Umgebungen, allgemein bekannten Songs, Anspielungen, Zitate, Symbole, Repräsentanten von Ort, Zeit und Raum usw.

Neben Musik und Geräuschen gilt aber auch die Stille als gleichberechtigtes Kompositionsmaterial. Auf diese Weise eröffnen sich facettenreiche Möglichkeiten zur Inszenierung von marken- und kampagnenspezifischen Themen. Durch generative Soundscapes gelingt es durch großen Abwechslungsreichtum Wear-Out Effekten vorzubeugen und immer wiederkehrende identische „Loops“ zu vermeiden. So wirkt das Soundscape zwar im Hintergrund, doch hat es keineswegs statischen Charakter. Durch den nonlinearen Aufbau der Klangfragmente wirkt das Soundscape durchaus lebendig und dynamisch.

Reaktives Soundscape

Anders als bei dem zuvor genannten Soundscape erklingen bei einem reaktiven Soundscape die Geräusch- und Klangfragmente nicht unidirektional nach einem festgelegten Schema. Sie benötigen zur Entfaltung und Reaktion einen Input in Form einer Aktion von außen (bidirektional). Ein großer Vorteil liegt sowohl in dem dramaturgischen Potential von reaktiven Soundscapes als auch in den vielfältigen und  kreativen Einsatzmöglichkeiten. Reaktive Soundscapes reagieren auf Handlungen des Menschen und lassen sich steuern durch reine Bewegungen und Aktionen des eigenen Körpers (aktiv und passiv), Bewegung von Objekten sowie Einflüsse anderer Parameter, wie Tageszeit, Besucherfrequenz und sogar der Mimik. Gerade in der Kombination mit der visuellen Gestaltung (z.B. großflächige Videowalls, Multimediainstallationen, etc.) bieten sich viele kreative Möglichkeiten. Bei reaktiven Maßnahmen ist es immer wichtig, eine möglicherweise unangenehme und abschreckende Wirkung beim Rezipienten durch plötzlich auftretenden Schall auszuschließen und das Klangkonzept an das inhaltliche und dramaturgische Konzept des gesamten Brand Space abzustimmen.

Interaktive Klanggestaltung

Interaktive Gestaltungselemente sind uns vertraut aus dem Umgang mit diversen grahpic user interfaces (GUIs), Automaten u.ä.. Darum eignet sich auch eine interaktive Klanggestaltung für großflächige Touchscreens, Touchtables und diverse Webanwendungen, also solchen Kontaktpunkten die einen großen Mehrwert für die Brand Experience bieten. Das alles sind gute Möglichkeiten um dem Kunden die Wartezeiten zu verkürzen und sich beispielsweise über die Produktwelt der Marke schlau zu machen. Sie können also einen Entertainmentcharakter haben (wie von diversen Mobile Music Apps bekannt) aber auch die eigene aktive Handlung unterstützen.

Der Mensch ist jeden Tag Geräuschen ausgeliefert und er agiert (meist intuitiv) in dieser Geräuschkulisse. Die interaktive Klanggestaltung meint hier eine Interaktion von Kunden als Akteur und seinem Handeln, das durch Klang unterstützt wird. Hier spielen die Erfahrung und der natürliche Umgang mit Umgebungsgeräuschen der jeweiligen Personen eine große Rolle und müssen bei der Konzeption beachtet werden. Gerade das Sounddesign bei Interfaces (Funktionsklänge) geben beim interaktiven Umgang mit dem dargebotenen Content eine Hilfestellung. Diese Orientierungsklänge und –geräusche dienen zur Verbesserung der Usability und dem Markenerlebnis. Oft trifft man aber gerade an diesem Kontaktpunkt auf fehlende Unterscheidbarkeit bzw. missverständliche Interpretation der Klänge. Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, die Individualität und Differenzierung sicherzustellen sollten diese Klänge einen individuellen Charakter mit einem funktionsgerechten Klangkonzept erkennen lassen.

Wie und in welcher Form Musik, Klang, Geräusche etc. in Brand Spaces Einsatz finden – die richtige Strategie und Wirkung ist individuell abhängig von der zu inszenierenden Marke, den Produkten, der Raumarchitektur, aber auch von den Vorlieben, Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden. Für einen direkten und nachhaltigen Dialog ist desshalb eine Synergie zwischen Marke, Mensch und Architektur zweifellos zielführend.

>> Artikel zuerst erschienen am 23. April 2013 auf www.ampcontact.com


Quellen: